Ernähren wir uns falsch? Düsseldorf, 12. November 1956. (rst) Acht Jahre ist die Währungsreform nun her, doch oft möchte man vermuten, es wäre schon viel mehr Zeit vergangen. Allein ein Blick in die Regale unserer Lebensmittelgeschäfte läßt die Entbehrungen der Kriegsjahre fast in Vergessenheit geraten. Aber greift die Hausfrau von heute auch zu den richtigen und gesunden Zutaten? Die moderne Hausfrau hat die Qual der richtigen Wahl: Was werde ich heute Leckeres für meine Familie kochen? Und die ständig steigende Vielfalt in den Lebensmittelgeschäften macht eine Antwort auf diese Frage nicht leicht. Vielleicht sollten die Männer das Geld für den Einkauf und somit die Auswahl verringern, mag sich mancher als Lösung für das Problem denken. Aber das ist natürlich nicht richtig, denn welcher Mann freut sich nicht über die vielen wechselnden Speisen, die die Frau jeden Tag auf den Tisch zaubert. Aber wahr ist auch: Die Frau hat heute mehr Geld als jemals zuvor für ihren Einkauf zur Verfügung. Knapp 500 Mark im Monat verdiente im vergangenen Jahr der Arbeiterhaushalt im Durchschnitt. Und in diesem Jahr dürfte es noch mehr sein. Lebensmittelforscher bezweifeln jedoch, daß die Hausfrau die richtige Auswahl trifft. Die Zahl der Erkrankungen, die auf einer einseitigen Ernährungsweise beruhen, hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. Deshalb wurde auch vor drei Jahren ein vollkommen neuer Beruf geschaffen: die Ernährungsberaterin. 25 Beraterinnen sind bisher in der Bundesrepublik tätig, drei von ihnen in Nordrhein-Westfalen. Und dort wurde jetzt auch das erste Fortbildungsinstitut für Ernährungsberatung und Diätetik gegründet. Neben den Ernährungsberaterinnen sollen dort in Zukunft auch Diätassistentinnen geschult werden. Zahlreiche Aufträge zur Beratung hat das Institut bereits erhalten. So ist das Land Nordrhein-Westfalen daran interessiert, wie der Speisezettel in Altersheimen am zweckmäßigsten aufgestellt werden kann. Bereits vor einem Jahr hat auch der Lebensmittelforscher Dr. Heinz Woltereck das Problem des Übergewichts erkannt und in einem Beitrag für die Zeitung "Rheinische Post" beschrieben. "Untersuchungen der letzten Zeit haben erwiesen, daß in der Altersklasse von 50 bis 65 bei Männern die Sterblichkeit der Übergewichtigen um mindestens 30 Prozent höher als bei Normalgewichtigen ist", schrieb Dr. Woltereck. Allerdings sei bei unserer allgemein üblichen Ernährung ein ausgewogenes Gemisch aller für den Körper notwendigen Nährstoffe enthalten. Grundsätzliche Änderungen auf diesem Gebiet seien nicht nötig. Gerne wird die Hausfrau damals auch gelesen haben, daß beispielsweise die Sahnetorte allein nicht verantwortlich ist für den immer mehr zunehmenden Zahnverfall, die Karies. Denn es sei gar nicht speziell der Zucker Schuld daran, sondern ebenso die Kartoffel oder das Brot, klärte Woltereck auf. Es komme darauf an, jetzt Mittel zu finden, die Zähne widerstandsfähig zu machen. "Möglicherweise stellt das Fluor ein solches Mittel dar, aber diese Frage ist noch nicht endgültig geklärt", erläuterte der Forscher. |
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