Denn wir wissen nicht, warum sie es tun Ein Kommentar unseres Redaktionsmitglieds Rainer Striewski Die Halbstarken werden immer mehr zu einem Problem. Wenn die Bielefelder Meinungsforscher heute verbreiten, Alkoholleidenschaft gebe es fast gar nicht unter den Jugendlichen, die Lieblingstänze der Jugend seien Walzer und Tango statt Boogie-Woogie, dann fragt man sich, woher die Forscher ihre Erkenntnisse haben. Die Randalierer in Hannover, Wuppertal oder Hamburg gehörten gewiß nicht zu den Jugendlichen, die die Meinungsforscher befragt haben. Nach zwei Weltkriegen stehen wir nun vor einer Generation von gebrochenen Vaterautoritäten. Die heutige Jugend ist skeptisch und kritisch wie nie, sieht offenbar weithin keine Vorbilder mehr. Und in diese Kerbe schlagen sie, die neuen Vorbilder im Film und in Illustrierten. Von James Dean bis Horst Buchholz, sie alle zeigen den Jugendlichen: "Schaut her, wir sind wichtig und berühmt. Und wir sind, wir ihr sein wollt, wir sind ein Problem." Doch es genügt auch nicht, Hollywood und die Filmemacher für das Verhalten der Jugend verantwortlich zu machen. Vergessen darf man auch nicht die Musikindustrie, die ganz neue wilde Helden - und damit Vorbilder für unsere Jugend - liefert. Allen voran der amerikanische Sänger Elvis Presley, den die "Teen-agers" hierzulande geradezu frenetisch vergöttern. Vor zwei Jahren war Presley ein völlig Unbekannter. Und heute spricht ganz Amerika von dem 21jährigen. Während die einen seine Art, sich zu bewegen und sich selbst auf der Gitarre zu begleiten, als "hoch erotisch" bezeichnen, nennen es andere richtiger "obszön" oder sogar "vulgär". Man sollte der Jugend vor Augen führen: Dieser junge Mann, der zweifellos ein Vorbild für unsere Jugend darstellt, hat in Wirklichkeit mit unserer Jugend nur sehr wenig gemein. Oder hat man hierzulande einen Jugendlichen schon einmal eine Millionen Dollar (rund vier Millionen Mark) im Jahr verdienen sehen? Wohl kaum. Doch das vergessen die Jugendlichen nur zu gern. Dabei zieht der ehemalige Bauernjunge Presley nicht nur die männliche Jugend in seinen Bann, auch die jungen Mädchen wissen offenbar nicht mehr, was sie tun. In New York lief kürzlich ein Schulmädchen von zu Hause weg, um sich nach Memphis zu begeben, dem Wohnsitz Presleys. Ihren Eltern hinterließ sie nur einen Zettel, auf dem sie über den Mann, dem sie nie begegnet war, schrieb: "Ich liebe ihn. Ich muß bei ihm sein." Wohin soll das noch führen? Und wie können wir diesem Verhalten begegnen? Warum sucht die Jugend sich heute ihre Vorbilder lieber im Film und in der Musik statt daheim in der Familie, die verzweifelt versucht, die richtigen Wege aufzuzeigen? Ist es nicht die Familie, in der die Jugend häufig auch die Vorbilder finden kann? Ist die Leistung unserer Generation, Deutschland wieder aufgebaut zu haben, unserer Jugend wieder einen geordneten Lebensraum zu bieten, ist das nicht auch vorbildlich? Wer sich die Jugend heute anschaut, der muß einsehen: Nein, das reicht offenbar nicht. Wir müssen unserer Jugend heute mehr bieten als nur ein halbwegs funktionierendes Zuhause. Vielleicht sollten wir anfangen, uns mit Selbstkritik um ein Verständnis der Ursachen zu bemühen. Ursachen, die irgendwo in unser scheinbar geordneten (Erwachsenen-)Welt liegen müssen. |
|