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Deutschland ist wieder souverän
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François-Poncet (Mitte) unterzeichnet die Ratifikationsurkunden |
Bonn, 5. Mai 1955. (yd) Seit 12 Uhr Mittag ist Deutschland wieder ein souveräner Staat. Die Hohen Kommissare hinterlegten in Bonn die Ratifikationsurkunden der Pariser Verträge und erklärten die Besatzungszeit für beendet. Bundeskanzler Dr. Konrad Adenauer sagte: "Mit tiefer Genugtuung kann die Bundesregierung feststellen: Wir sind ein freier und unabhängiger Staat."
Journalisten aus vielen Ländern drängten sich am Vormittag in dem hell getäfelten Saal, als die Hohe Kommission zum letzten Mal zusammentrat. In seiner Abschiedsrede erinnerte der französische Hohe Kommissar Jean André François-Poncet daran, dass man zum Zeitpunkt der Gründung der Hohen Kommission, also im September 1949, davon ausgegangen sei, dass diese etwa ein Jahrzehnt bestehen würde. Dass man nun bereits nach Ablauf von fünf Jahren ihrer Unterstützung entbehren könne, liege auch am guten Willen des deutschen Volkes. Es habe "Zeugnis seiner Reife abgelegt", sagte François-Poncet.
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Dr. Adenauer (links) unterzeichnet die Verträge in Paris |
"Die Bundesrepublik hat sich von einem tiefen Sturz erholt. Sie hat an Kraft und Festigkeit, an Selbstbewußtsein und an Selbstvertrauen gewonnen, sie hat ihre Souveränität wieder erlangt", so der Hohe Kommissar. Er äußerte die Hoffnung, dass Deutschland ein loyaler und durch die Erinnerung an die überstandenen Prüfungen aufgeklärter Partner im Kreis der freien Völker werde. Europa müsse "die Fackel der Zivilisation" weiter fest in den Händen halten.
Am Nachmittag wurde im Garten des Palais Schaumburg die Bundesflagge gehißt, und Bundeskanzler Dr. Adenauer verlas eine Proklamation der Bundesregierung. Mit Blick auf die in der Sowjetzone lebenden Deutschen sagte er: "Mit der Bundesregierung gedenken in dieser Stunde 50 Millionen freie Bürger der Bundesrepublik Deutschland in brüderlicher Verbundenheit der Millionen Deutschen, die gezwungen sind, getrennt von uns in Unfreiheit und Rechtlosigkeit zu leben. Wir rufen ihnen zu: Ihr gehört zu uns, wir gehören zu euch!" Auch den deutschen Kriegsgefangenen gedachte der Kanzler: "Wir werden alles daran setzen, daß auch ihnen bald die Stunde der Befreiung schlägt."
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