Olympisches Jahr geht zu Ende
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Eröffnung der Olympischen Spiele in Melbourne |
Melbourne, 8. Dezember 1956. (rst) Die XVI. Olympischen Spiele wurden in Melbourne offiziell beendet. Damit liegen ganz besondere Olympische Spiele hinter uns, denn erstmals war mit dem Reiten eine ganze Sportart ausgelagert worden. Deutsche aus der Bundesrepublik und der Sowjetzone nahmen in Melbourne bereits zum zweiten Mal unter einer Fahne an Olympischen Spielen teil. Zum ersten Mal waren sie Anfang des Jahres bei den Spielen in Cortina vereint aufgetreten. Rückblickend kann man sagen: Es war ein erfolgreiches Olympiaden-Jahr.
Die letzten Bilder, die wir aus Melbourne zu sehen bekamen, waren etwas unschön, konnten aber den insgesamt guten Eindruck der Spiele nicht trüben. Nach dem offiziellen Ende der Spiele strömten die Zuschauer in Massen auf das Spielfeld, nahmen Asche von der Bahn oder Gras mit, um es als Andenken an die Spiele zu bewahren. Einige vergnügten sich sogar auf den olympischen Siegerpodesten, ließen sich zu Picknicks nieder oder zogen an den Fahnenmasten alte Lappen auf.
Aber während diese Bilder hoffentlich schnell vergessen sein werden, bleiben vermutlich andere Ereignisse in Erinnerung: Die bei der Abschlußfeier erstmals nicht nach Nationen getrennt tanzenden Sportler oder die Goldmedaillen-Siege für den deutschen Turner Helmut Bantz, die Schwimmerin Ursula Happe und das Kajakteam Scheuer und Mildenberger. Aber auch der Spiele-Boykott einiger Länder wird vermutlich in die Geschichte der Olympischen Spiele eingehen. Die Niederlande, Spanien und die Schweiz protestierten so gegen den Einmarsch der Sowjets in Ungarn. Ägypten, Libanon und Irak sagten ihre Teilnahme wegen des israelisch-ägyptischen Krieges ab und die Volkrepublik China fehlte, weil Taiwan zu den Spielen zugelassen wurde.
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Das Reiten fand erstmals an einem anderen Austragungsort statt |
Für Deutschland haben sich die Spiele gelohnt. Die deutsche Mannschaft konnte bei den XVI. Olympischen Spielen in Melbourne und ihren Reiterspielen in Stockholm sechs Medaillen erringen. Die Reiterspiele hatten wegen der strengen Quarantäne-Vorschriften in Australien erstmals in der Geschichte der Spiele mit Stockholm einen eigenen Rahmen und Austragungsort, an dem Springreiter Hans Günther Winkler einen ganz besonderen Sieg erringen konnte: Wegen einer schwerwiegenden Verletzung konnte Winkler sich nur mit starken Schmerzmitteln im Sattel halten, während sein Pferd "Halla" den Ritt fehlerfrei beendete und Gold für Deutschland holte. Die deutsche Mannschaft habe sich nach dem etwas enttäuschenden Beginn zum Abschluß ausgezeichnet geschlagen, befand NOK-Präsident Ritter von Halt nach dem Ende der Spiele in Melbourne. Auch die Zusammensetzung der Mannschaft nannte er "ohne Einschränkung" richtig. Auf diese Zusammensetzung hatten sich die beiden NOK-Präsidenten von Halt (Bundesrepublik) und Schöbel (Sowjetzone) erst einen Monat vor Beginn der Spiele im Kölner Gürzenich geeinigt.
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Anfang des Jahres fanden die Spiele in Cortina d'Ampezzo statt |
Schon bei den VII. Olympischen Winterspielen im Januar 1956 in Cortina d'Ampezzo hatten Sportler aus der Bundesrepublik und der Sowjetzone erstmals nach dem Krieg gemeinsam an den Spielen teilgenommen. Damals war die Mannschaft mit 70 aktiven Teilnehmern noch weitaus größer als bei der Teilnahme in Melbourne. Im WDR bemerkte NOK-Präsident von Halt dazu bereits im Januar: "Wir hätten uns mit einer einfacheren Mannschaft begnügen müssen." Aus Kostengründen werde man deshalb in Melbourne mit einer kleineren Mannschaft an den Start gehen.
Die große und erstmals gemeinsame deutsche Mannschaft war bei den VII. Olympischen Winterspielen aber nicht das einzig Neue. Erstmals versorgte das Fernsehen die Zuschauer daheim mit Bildern der Wettkämpfe. Für den Ort Cortina war dafür ein komplett eigenes Sendenetz aufgebaut worden. Die Wettkampfstätten waren dabei mit einer Regiezentrale verbunden, die den Ausgangspunkt für die Eurovisionsendungen in 22 Ländern darstellte. Und der Aufwand hatte sich gelohnt, wie viele Millionen Zuschauer auch in Deutschland bestätigten. Besonders beim Eiskunstlauf konnten durch geschickten Kameraaufbau und eine aufmerksame Abstimmung in der Regiezentrale plastisch alle Phasen dieser sonst oft schwer zu verfolgenden Entscheidungen wiedergegeben werden. Und auch bei der Übertragung der Eishockeyspiele konnten Effekte erzielt werden, die bei der Eishockey-Weltmeisterschaft des Vorjahres in Deutschland nicht möglich gewesen waren.
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Marika Kilius und Franz Ningel vor ihrem Auftritt, der in Tumulten gipfelte |
Doch gerade der Einskunstlauf sorgte in Cortina nicht nur für schöne Bilder. Selbst bei den rauhen Eishockeyspielen hatte es keinen derartigen Tumult gegeben wie bei der Entscheidung im Paarlauf. In einer glänzenden Darbietung hatten zuvor die erst zwölfjährige Marika Kilius und Franz Ningel das Publikum in Cortina begeistert. Doch die vollkommen enttäuschende Wertung besonders des tschechoslowakischen Punktrichters ließ das Paar nur auf den vierten Platz gelangen. 12.000 empörte Zuschauer warfen danach mit Orangen und Chiantiflaschen und pfiffen wütend. 20 Ordner waren nötig, um die Eisfläche wieder zu säubern. Die Wut der Zuschauer konnten sie damit aber nicht verringern. Doch vielleicht werden auch andere Ereignisse den Zuschauern im Rückblick in Erinnerung geblieben sein: Etwa die Siege des Österreichers Toni Sailer in allen drei alpinen Skirennen oder der Medaillensegen für die Sowjets, die sich gleich bei ihrer ersten Olympia-Teilnahme die meisten Medaillen sicherten.
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