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Kündigung wegen Eheschließung unwirksam

Eine junge Frau arbeitet in einer Bibliothek; Rechte: AKG-Images
Mit der Eheschließung endet nicht automatisch der Beruf

Hamm, 14. Juli 1955. (yd) Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in einem Berufungsverfahren ein Urteil gesprochen, das die Entscheidung vieler junger Frauen für die Ehe erleichtern wird. Eine sogenannte Zölibatsklausel in Anstellungsverträgen ist demnach nichtig. Geklagt hatte eine kaufmännische Angestellte, deren Vertrag automatisch drei Monate nach einer standesamtlichen Eheschließung enden sollte.

Die Klägerin war seit April 1951 in einem großen Spezialgeschäft für Herren- und Damenkleidung angestellt. Damals hatte sie einen Vertrag unterschrieben, der nach einer Probezeit von drei Monaten eine unbefristeten Stellung vorsah. Im Oktober 1953 aber forderte ihre Arbeitgeberin, folgender Vertragsklausel zuzustimmen:

"Es besteht ein Anstellungsvertrag auf unbestimmte Zeit, kündbar beiderseits gesetzlich ... Bei weiblichen Angestellten ist das Anstellungsverhältnis 3 Monate nach der standesamtlichen Eheschließung zum Monatsende beendet."

Zu diesem Zeitpunkt war die Klägerin bereits verlobt, im August 1954 heiratete sie. Einen Tag zuvor teilte ihr die Beklagte mit, daß ihr Arbeitsverhältnis vertragsgemäß zum 30. November 1954 ende. Dagegen hatte sich die Angestellte vor dem Dortmunder Arbeitsgericht gewehrt und verloren. Im damaligen Urteil hieß es, die Vereinbarung sei rechtsgültig. Im Berufungsverfahren gab das Landesarbeitsgericht Hamm der Angestellten nun Recht. In seinem Urteil erklärte es die Zölibatsklausel für nichtig, "weil sie gegen das Gesetz und gegen die guten Sitten verstößt".

Kurzwaren-Verkäuferin; Rechte: AKG-Images
Viele Ehen sind auf das Einkommen der Frau angewiesen

Die Arbeitgeberin der Klägerin hatte vorgetragen, daß nach ihrer Erfahrung junge Frauen im Unterschied zu Männern nach der Eheschließung infolge der Haushaltsarbeit in ihren beruflichen Leistungen erheblich nachließen. Die psychische Doppelbelastung wirke sich hemmend aus. Zudem entspreche die Zölibatsklausel der sozialen Forderung, daß die durch einen Ehemann versorgten Frauen ihren Arbeitsplatz für andere freimachten, die ihren Lebensunterhalt selbst erarbeiten müßten. Im Berufungsverfahren fuhr sie zudem aus, daß die Doppelbelastung der Frau durch Haushalts- und Berufsarbeit deren Gesundheit ruiniere. Während ein Mann durch die Eheschließung ein geordnetes Leben und seine Häuslichkeit bekomme und sich infolgedessen um so besser seinem Beruf widmen könne, bringe die Eheschließung für die Frau die zusätzliche Betreuung ihres Mannes. Es entspreche der Psyche der Frau, daß sie die Haushaltsarbeit bevorzuge und darüber ihre beruflichen Pflichten vernachlässige. Die Zölibatsklausel führe die Arbeitnehmerin ihrer natürlichen Bestimmung zu, sich der Ehe und der Familie zu widmen.

Die Klägerin sah in dieser Sichtweise ihr höchstpersönliches Recht auf Eheschließung beeinträchtigt. Zudem trug sie vor, daß Hunderttausende von Frauen trotz Verheiratung ihren Arbeitsplatz voll ausfüllten. Außerdem seien nicht nur verheiratete, sondern auch zahlreiche ledige oder verwitwete Frauen neben ihrer Berufsarbeit zusätzlich durch Haushaltsarbeit belastet. Sie wehrte sich auch gegen die Vorstellung, eine Berufstätigkeit hemme die Gründung einer Familie und verwies darauf, daß sie bei ihrem Ausscheiden bereits im zweiten bis dritten Monat schwanger gewesen sei. Den Bestand des Arbeitsverhältnisses vom Verzicht auf das höchstpersönliche Recht auf Eheschließung abhängig zu machen, sei unmoralisch und bringe die Arbeitnehmerin in eine Zwangslage.

Büroangestellte; Rechte: AKG-Images
Fleißige Angestellte trotz Ehe und Familie

Das Landesarbeitsgericht machte in seiner Urteilsbegründung deutlich, daß es die Auffassung der Arbeitgeberin sowie des Arbeitsgerichts Dortmund in keiner Weise teile und bestärkte mit seinen Ausführungen alle jene Frauen, die Ehe und Berufstätigkeit zu vereinen suchen. Die Zölibatsklausel, heißt es in dem Urteil, widerspreche so sehr den heutigen sozialen Anschauungen, daß sie mit den guten Sitten nicht vereinbar sei. Eine allgemeine Lebenserfahrung, daß Frauen nach der Eheschließung ihrer Berufsarbeit nicht mehr angemessen nachkämen, könne nicht anerkannt werden. Auch entspreche es nicht der Psyche einer Frau, den Beruf zugunsten ihres Haushalts zu vernachlässigen. Zudem seien viele Ehen auf einen gemeinsamen Verdienst angewiesen. Bliebe ihnen dieser verwehrt, könne dies sogar dazu führen, daß die Verlobten in wilder Ehe miteinander lebten, um sich den Arbeitsverdienst der Frau zu erhalten.

Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat das Landesarbeitsgericht Hamm Revision zugelassen.


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